Mag. Philipp Charwath, Alumnus der Geschichte, Anglistik und Amerikanistik, New York, USA, Ständige Vertretung Österreichs bei den Vereinten Nationen
„Amerika ist ein Land der Extreme. Einerseits herrscht in bestimmten Kreisen und Gegenden ein wahrer Fitness- und Ernährungswahn, wie es ihn in Europa in vergleichbarer Form nicht gibt. Wird ein Lebensmittel als ,gesund‘ identifiziert, dann ist es mit Sicherheit binnen kürzester Zeit in aller Munde. In gebildeten, reichen, städtischen Schichten kann die Auswahl der ,richtigen‘ Lebensmittel und Ergänzungsprodukte gar nicht elitär und teuer genug sein. Fitnessstudios boomen landauf, landab. Der Kontrast zur Lebensrealität der überwiegenden Mehrheit der US-Amerikaner, die von fettem, ungesundem Essen in viel zu großen Portionen und den daraus resultierenden enormen Raten von Übergewicht, Diabetes, Herzerkrankungen und ähnlichem gekennzeichnet ist, könnte allerdings größer nicht sein.
Meiner Ansicht nach ist es in den USA besonders schwierig, tatsächlich gesund zu leben. Bio-Lebensmittel sind um ein Vielfaches teurer als regulär hergestellte Lebensmittel und außerhalb der urbanen Zentren oft auch schwer erhältlich. Ein verschwindend geringer Teil der Landwirtschaft produziert biologisch. Im Supermarkt erhältliche (Fertig-)Produkte enthalten oftmals eine Vielzahl an versteckten Zutaten. Dort Brot ohne Zuckerzusatz zu finden, ist unmöglich, man wird nur bei High-End Bäckereien fündig. Generell enthalten alle Lebensmittel ein Vielfaches an Zucker und Salz als vergleichbare Produkte in Österreich. Die Portionen in Restaurants sind immer zu groß, besonders außerhalb von New York, San Francisco oder ähnlichen ,Inseln des Bewusstseins‘, nehmen Speisen in Restaurants oftmals geradezu obszöne Größen an, von den Trinkbechergrößen ganz zu schweigen. Hinzu kommt ein Lebensstil, der für DurchschnittsamerikanerInnen im täglichen Leben praktisch keine Bewegung mehr vorsieht. Ein paar Schritte aus der Küche in die Garage, mit dem Auto bis direkt in die Arbeit, am Abend nach Hause zurück.
Gesundheit kommt für mich nicht aus dem Labor, sondern aus dem Lebenswandel. Wenn es um medizinische Fortschritte geht, etwa bei der Bekämpfung von Krankheiten, bei der künstlichen Nachzucht von Körperteilen oder ähnlichem, sehe ich natürlich eine große Rolle für die medizinische Forschung und das Labor. Die tagtägliche Gesundheit muss aber anders gesichert werden. Gegen zu viel Fett, zu wenig Bewegung und zu wenig Schlaf helfen auch Pillen nichts.“