Über- und Unterernährung in der WHO-Region Westlicher Pazifik
Dr. Katrin Engelhardt, Alumna der Ernährungswissenschaften, Manila, Philippinen Leiterin des regionalen Ernährungsprogramms der WHO-Region Westlicher Pazifik
Als Ende 2014 im Inselstaat Kiribati im westlichen Pazifik Todesfälle wegen Beriberi bekannt werden, schrillen bei Katrin Engelhardt schnell die Alarmglocken. Die Alumna der Ernährungswissenschaften der Uni Wien leitet das WHO-Ernährungsprogramm in der Region Westlicher Pazifik in Manila – ihr ist sofort klar, es könnte am Essverhalten liegen. Mit dramatischen Folgen. Die Todesfälle durch Vitamin-B1-Mangel auf der Pazifik-Insel, wo sonst Übergewicht dominiert, sind für Engelhardt ein untrügliches Zeichen für ein kaputtes Lebensmittelsystem, in dem manche Lebensmittel fehlen, während andere zu viel konsumiert werden. „Auf Kiribati wird viel geschälter Reis gegessen, es mangelt an frischem Obst, Gemüse und Getreideprodukten und damit an Vitamin B1.“
Kiribati ist eines der Länder im Zuständigkeitsbereich der WHO-Expertin, wo die Ambivalenz besonders deutlich wird: In vielen Staaten der Region Westlicher Pazifik kommen Unter- und Überernährung gleichzeitig vor. „Auf Papua-Neuguinea sind fast 15 % der Kinder unter fünf Jahren übergewichtig – und genauso viele untergewichtig“, so Engelhardt. Viele dieser Schwellenländer erlebten in den letzten Jahren einen Wirtschaftsboom, mit positiven und negativen Auswirkungen. Internationale Konzerne investieren verstärkt in der Region, mit dabei die Lebensmittelindustrie. Eine größere Vielfalt an Produkten sei zwar prinzipiell zu begrüßen, allerdings nehme auch der Anteil an Fertigprodukten und Süßgetränken zu und mit ihnen die Probleme, die wir auch aus Europa kennen: zu viel Zucker, Salz und Fett, so die Alumna. Steigende Raten an Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes, Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Folge. Der Kampf gegen ungesunde Lebensmittel ist schwierig, denn die Konzerne sind mächtig. „Wir dürfen uns nicht von der Lebensmittelindustrie bevormunden lassen“, sagt Katrin Engelhardt und plädiert für gesetzliche Einschränkungen von Lebensmittelwerbung und Lebensmittelkennzeichung. Vor allem Kinder sind den aggressiven Werbetechniken ausgesetzt, die ungesundes Essverhalten verstärken. Lebensmittelkennzeichung sollte standardmäßig in allen Ländern umgesetzt werden. Denn zu erfahren, wie viel Salz, Zucker, und Fette in einem Produkt enthalten sind, wie in Europa selbstverständlich, sei in der Region noch nicht überall der Fall.