Erfinder mit Bauchgefühl
Anwendungsorientiert. Für die Entwicklung eines Blutschnelltests für Malaria bekam der Biochemie-Absolvent Oliver Hayden im Juni 2017 den Europäischen Erfinderpreis. univie erzählte der Wissenschafter auch, warum er so gerne in Kliniknähe arbeitet und welche Beziehung er zu Labormäusen hat.
Text: Siegrun Herzog
Richtig frisch gezapft muss es sein, sagt Oliver Hayden und meint damit nicht das Nationalgetränk seiner neuen Wahlheimat München – der Biochemie-Alumnus spricht von seinem Forschungsgegenstand: frisches, menschliches Blut. Denn das Blutbild kann Auskunft über den Gesundheitszustand eines Menschen liefern und ist ein wichtiger Biomarker für die Diagnose von Krankheiten. Der Startpunkt für den Wissenschafter, sich mit Blut näher zu beschäftigen, war die Sache mit der Malaria, die ihm im Juni 2017 den Europäischen Erfinderpreis einbrachte.
Gemeinsam mit seinem damaligen niederländischen Kollegen bei Siemens Healthineers, Jan van den Boogaart, analysierte Hayden die Blutproben von Malaria-Patient*innen aus Südafrika. Die systematische Auswertung der Proben lieferte schon bald ein für alle überraschendes und patentwürdiges Ergebnis: einen Datenfingerabdruck der Malaria-Infektion.
Durchbruch. Malaria ist nicht nur eine der zehn tödlichsten Krankheiten weltweit, an der jährlich über eine halbe Million Menschen stirbt, Malaria sei auch eine technische Herausforderung für die Automatisierung, so der Biochemiker. Die Diagnose der Tropenkrankheit ist bisher nur unter dem Mikroskop möglich oder bedingt zeitaufwendige Molekulartests. Der datenbasierte Ansatz der beiden Forscher lieferte den entscheidenden Durchbruch. „Dass es möglich ist, die Präsenz von Malaria als systemische Antwort im Blutbild zu erkennen, hat niemand voraussagen können“, so Oliver Hayden, der sich immer noch ein bisschen über diesen Erfolg wundert. Mittels eines spezifischen Algorithmus läuft der Malaria-Schnelltest, der sich im Forschungsstadium befindet, auf einem Hämatologie-Automaten, wie er zur Erstellung von Blutbildern weltweit verwendet wird. „Stellen Sie sich vor, Malariadiagnostik oder auch andere Erkrankungen könnten zukünftig automatisiert mit einem Blutbild erkannt werden.“
Was Hayden an der Chemie von Anfang an faszinierte: „Hier gibt es nicht den einen Weg von A nach B, sondern Hunderte Wege. Chemie ist oft intuitiv, man braucht viel Bauchgefühl.“ Auf die Idee, Chemie schließlich mit Technologie zu verbinden, stieß Hayden durch seinen „Doktorvater“ Professor Franz Dickert an der Universität Wien. Aber auch seine Scheu, mit Labormäusen zu arbeiten, dürfte mit zur Technologie-Orientierung des Chemikers geführt haben. „Als Jäger bin ich es gewohnt, Tiere zu erlegen, aber bei Labormäusen hatte ich immer eine Hemmschwelle“, bekennt Hayden.
Menschen und Mäuse. Dass seine Forschung einen praktischen Nutzen liefert, ist für den Wissenschafter zentral. „Gerade in der klinischen Forschung braucht es den Anwendungsbezug, einen richtigen Need“, ist Hayden überzeugt. Und den gibt es zweifellos – in nächster Zeit will sich der im Juni an die TU München berufene Professor für Biomedizinische Elektronik in die Krebsforschung einbringen, am neuen Forschungszentrum für Translationale Onkologie „TranslaTUM“. Direkt neben dem Universitätsklinikum gelegen, bietet der Standort eine wichtige Voraussetzung, um an die benötigten frischen Proben zukommen. „So nahe am Patienten und damit an der Probenquelle zu arbeiten und zu forschen macht Sinn, nur so kann ich meine Technologien entwickeln“, freut sich Hayden über seinen neuen Arbeitsort. Mit einer Einschränkung: In der präklinischen Forschung gilt die Maus immer noch als Goldstandard. „Meine Ambition ist es jedenfalls, nach klinisch relevanten Alternativen zu suchen, um auch die Mausmodelle künftig ein bisschen schonen zu können“, schmunzelt Hayden.