Zwischen Apokalypse und Bewusstseinsbildung
Von der Meteorologie zum Unternehmer. Der Absolvent Simon Tschannett berät Städte bei der Anpassung an den Klimawandel.
Text: SIEGRUN HERZOG | Artikel als PDF aus: univie 03/2019
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Simon Tschannett studierte Meteorologie an der Universität Wien und ist seit 14 Jahren Unternehmer.
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Wissenschaftliche Ergebnisse und Szenarien rund um den Klimawandel an die Öffentlichkeit zu kommunizieren und in der Praxis umzusetzen, beschäftig den Unternehmer Simon Tschannett. Der Meteorologie-Absolvent hat vor 14 Jahren gemeinsam mit zwei Studienkollegen die Firma Weatherpark gegründet, die Städten und Gemeinden mit Konzepten und Strategien bei der Anpassung an die steigenden Temperaturen zur Seite steht. Was damals vielen exotisch erschien, ist in Zeiten des Klimawandels eine gefragte Dienstleistung bei Stadtverwaltungen im In- und Ausland. Der heurige Hitzesommer bescherte dem Meteorologen viel Gehör.
Es war ein wissenschaftliches Paper vom März dieses Jahres, das den Stein für Tschannett so richtig ins Rollen brachte. Laut einer Studie von KlimaforscherInnen für die 28 EU-Hauptstädte plus der Schweiz ist Wien unter den drei Städten der EU, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Tschannett setzte daraufhin einen Tweet ab, der sinngemäß lautete „Ob Wien die Stadt mit der höchsten Lebensqualität bleiben könne, sei fraglich, wenn man so stark betroffen sei und eigentlich wenig tue.“ Daraufhin liefen die Telefone heiß, neben der Wiener Stadtplanungsabteilung bissen auch die Medien an. „Wir fragen uns immer, sollen wir den Teufel an die Wand malen oder geht es einfach um Bewusstseinsbildung. In diesem Fall haben wir offenbar das richtige Maß getroffen, nicht apokalyptisch, aber trotzdem aufrüttelnd“, so der Meteorologe.
Klima-Mainstreaming. Was können und sollen die Städte also tun? In erster Linie gehe es darum, strategisch Maßnahmen zu setzen. Als zentral sieht Tschannett eine Stadtklimaanalyse zu machen, die ein Bild vermittelt, wie das Klima in der Stadt verteilt ist, wo zum Beispiel über Frischluftschneisen kühlere Luft in die Stadt strömen kann, wo Hitzepole sind oder auch wo besonders viele ältere Menschen oder Kinder wohnen, die besonders unter der Hitze leiden. Den Städten rät der Experte auch einen/eine Stadtklimatologen/-in anzustellen, der/die zentrale Koordinierungsstelle in der Stadt sein kann. „Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz sind Querschnittsfragen, die kann man nicht in ein Ressort stecken, es betrifft einfach sehr viele Bereiche“, so Tschannett, der als Experte auch dem im September neu etablierten Klimarat, einem Beratungsgremium der Stadtregierung, angehört.
Wien, Linz und Graz haben die Experten von Weatherpark bereits beraten, auch kleinere Städte und Gemeinden sind dabei – was allerdings quer durch die Bank auffällt: Aufträge gab es durchwegs von grün besetzten Ressorts. „Der politische Wille muss da sein, sonst werden die wissenschaftlichen Fakten nicht gehört“, so Tschannett. Lernen können Österreichs Städte etwa von Hamburg. Dort wurde eine Klimaverträglichkeitsprüfung bei Bauvorhaben eingeführt – wo vorab der Einfluss des Projektes auf das Stadtklima geprüft wird, auch dort hat Weatherpark beraten.
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