Zukunftsmusik. Selbstfahrende Autos, Roboter, die Pflegedienste verrichten, Bildung per Mausklick: Unsere Zukunft ist digital. Aber was macht das mit uns? Was ist möglich und welche Auswirkungen hat Digitalisierung auf die Gesellschaft von morgen? Diese Fragen diskutierten der Informatiker Peter Reichl, der Bildungswissenschafter Fares Kayali, die Soziologin Michaela Pfadenhauer und der High-Tech-Unternehmer Georg Kopetz mit Moderator Christoph Varga (v.l.n.r.). Das Podiumsgespräch wurde bei der Alumni Lounge am 10. April 2019 aufgezeichnet.
Leseprobe aus dem Schwerpunkt:
Fast forward: Wie leben wir 2030?
Dokumentation: Siegrun Herzog
Christoph Varga: Frau Professor Pfadenhauer, wie leben wir im Jahr 2030? Wird sich im Vergleich zu heute tatsächlich so viel ändern? Wo wird sich Digitalisierung am stärksten bemerkbar machen?
Michaela Pfadenhauer: 2030 liegt gar nicht so weit in der Zukunft. Was sich sicher verstärken wird, ist, was wir SoziologInnen als Kommunikationsgesellschaft bezeichnen. Die Gesellschaft war immer schon eine geschwätzige und im Grunde ist Digitalisierung ein ganz starker Treiber für Kommunikation. Alle von Ihnen sind permanent über Medien mit ungeheuer vielen Leuten in Kontakt. Aber das Spannende an der Technik, mit der wir uns heute beschäftigen, ist, dass sie selbst noch einmal einen extremen Beitrag zu dieser Kommunikation leistet. Das heißt, wir kommunizieren tatsächlich nicht mehr nur mit menschlichem Gegenüber, sondern auch mit technischem Gegenüber, und das wird sich sicher in den nächsten zehn Jahren noch deutlich bemerkbar machen.
WissenschafterInnen und Alumni beim Zukunftstalk in der Sky Lounge der Universität Wien. Digitales Schlaraffenland oder analoger Luxus? Die Visionen für unsere digitale Zukunft sind vielfältig, einen Reality Check gibt’s dann 2030.
Varga: Herr Professor Reichl, wie wird sich Ihr Leben verändert haben in zehn, elf Jahren, 2030?
Peter Reichl: Ach, meins gar nicht. Das liegt daran, dass ich kein Smartphone besitze.
Varga: Wie kommunizieren Sie dann?
Reichl: Ich spreche mit Menschen. Ich glaube allerdings, zehn Jahre sind ungeheuer viel Zeit. Vor zehn Jahren haben wir das iPhone eingeführt, ich habe mir sagen lassen, es habe die Kommunikationsgewohnheiten vieler Menschen sehr verändert. Man kann die Fragestellung „Wie sieht die Welt aus?“ wissenschaftlich angehen. Und da muss ich sagen, wir sind vermutlich mitten auf dem Weg in ein digitales Schlaraffenland. Ein Teil der Bevölkerung wird damit völlig unglücklich sein, sich davon abspalten und sich in so eine Art „Analog ist das neue Bio“ flüchten. Und das wird die Gesellschaft spalten. Jetzt sind wir möglicherweise an einem Scheidepunkt, wo noch nichts verloren ist, aber sich die Wege trennen werden. Und es liegt tatsächlich an uns, diese Entscheidung zu treffen, eine politisch-gesellschaftliche Entscheidung.
Varga: Herr Professor Kayali, Sie arbeiten im Bereich Digitalisierung in der Bildung, wie wird sich die Welt ändern?
Fares Kayali: Ich stelle mir vor, wir werden alle ganz fit sein, mit Fitnesstrackern, sportlich sein, viel gehen, abnehmen. Die besonders Fitten unter uns bekommen einen Bonus in der Sozialversicherung. Waren viele von Ihnen schon mit Schulwahl von Kindern konfrontiert? Das müssen wir auch nicht mehr machen. Learning Analytics, die entscheiden das für uns, sehr bequem. In diesen Themen stecken sehr viele emotionale Unsicherheiten. Ängste, die mit der Frage einhergehen: „Was ist, wenn ich nicht zu diesen Fitten gehöre?“ Das kann dann zu dieser ganz harschen Trennung führen, die wir teils heute schon erleben. Deswegen ist ganz wichtig, Menschen aus dieser Unsicherheit heraus abzuholen und Mitgestaltung zu ermöglichen. Die Mitgestaltung ist etwas, das nicht mehr nur in der Informatik liegt, das muss sich über alle Fachdisziplinen erstrecken, dieses Gefühl der Verantwortlichkeit muss sich auf uns als Einzelne übertragen.
„Dieses Gefühl der Verantwortlichkeit muss sich auf uns als Einzelne übertragen.“
Univ.-Prof. Fares Kayali, Professor für Digitalisierung in der Bildung, Universität Wien
Varga: Herr Magister Kopetz, mit Digitalisierung meinen wir ja eigentlich eine digitale Revolution, ähnlich wie die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert. Damals war die Eisenbahn das neue Verkehrsmittel, das vieles verändert hat. Momentan gehen wir alle davon aus, dass autonomes Fahren Transport und Fortbewegung verändern könnte. Sie arbeiten genau in dem Bereich, was kommt auf uns zu?
Georg Kopetz: Ich glaube, beim autonomen oder automatisierten Fahren ist es besonders ersichtlich. Wir als Unternehmen beschäftigen uns damit, Maschinen intelligent zu machen. Maschinen werden mit Sinnesorganen ausgestattet, sie können beispielsweise hören und sehen und damit besser auf ihre Umgebung und auch auf den Menschen eingehen. Die Sensorik wird mit der Bewegung der Maschine verbunden. Wir machen das nicht nur im Bereich Automobil, sondern auch im Bereich der Baumaschinen, der Drohnen oder eines autonomen Raumschiffs, das Menschen sicher um den Mond herum fliegen wird. Ich glaube, waswir 2030 erleben werden, ist, dass wir den Menschen neu entdecken müssen. Eine Maschine ist kein Mensch, eine Maschine ist nicht wirklich intelligent, auch wenn wir ihr Intelligenz zusprechen, aber wir werden von der Unterstützung der Maschinen sehr stark profitieren können. Ich glaube, was wir in den nächsten zehn Jahren erleben werden, wird das, was wir in den letzten 50 Jahren erlebt haben, noch einmal in den Schatten stellen.
Varga: Machen wir es konkret, ab wann können wir autonom Auto fahren?
Kopetz: Auf der Autobahn können wir es zum Teil heute schon. Ich glaube, bis man ohne Lenkradberührung von Wien nach München kommt, von Auhof bis zum Münchner Ring, wird es fünf Jahre dauern, im Stadtverkehr noch länger. Das ist auch eine Frage der Infrastruktur. Inwieweit wollen wir Smart Cities wirklich zum Leben erwecken? Inwieweit wollen wir gewisse Gegenden haben, wo wir ähnlich wie in der U-Bahn mit autonomen Shuttles z. B. vom Flughafen zur Oper fahren können? Ich glaube, das wird bereits 2030 realisiert sein. Die voll autonom funktionierende Stadt sehe ich noch nicht in zehn Jahren, aber ich sehe klar, dass die autonomen Fortbewegungssysteme, ähnlich wie die U-Bahn heute, ein Teil unseres Verkehrsmix sein werden.
Kayali: Führt das nicht zu noch mehr Verkehrsaufkommen, wenn die Autos autonom fahren können? Führt das nicht dazu, dass ich mich abholen lasse von meinem Auto, dass ich mein Auto wiedernach Hause schicke zum Parken? Wollen wir das wirklich?
Kopetz: Wir werden 2030, um eine These aufzustellen, dieses Thema öffentlicher Verkehr und Individualverkehr nicht mehr so unterscheiden können, weil wir viele Mischformen erleben werden. Wo ich eine große Chance für eine grüne Stadt sehe, ist, dass wir so kleine Transportmittel haben, Busse, für acht bis zehn Leute, die regelmäßig auf gewissen Strecken fahren. Solche „Commuter Robot Taxis“ könnten die Leute zu Verkehrsknotenpunkten wie U-Bahn- oder S-Bahn-Stationen bringen und man würde verhindern, dass die letzte Meile mit dem Auto gefahren wird. Ich kann mir gut vorstellen, dass das 2030 auch in Wien bereits Realität ist.
„Ich kann mir gut vorstellen, dass Commuter Robot Taxis 2030 auch in Wien bereits Realität sind.“
Mag. Georg Kopetz, Mitgründer und Vorstand von TTTech, Alumnus der Rechtswissenschaften
Publikumsfrage: Gibt es schon Ideen, wie sich solche Commuter-Fahrzeuge finanzieren können sollen in zehn Jahren?
Kopetz: Ja, da gibt es viele Ideen. Eine Studie sagt, dass wir davon ausgehen können, dass sich der Wert der Transportindustrie in den nächsten 10 bis 15 Jahren verdoppeln wird. Die Leute werden in diesen Systemen noch mehr Streaming-Content konsumieren, weil natürlich diese Systeme die optimale Projektionsfläche bieten. Ein großes Thema heute ist Netflix im Auto. Jeder Automobilhersteller ist total nervös und fragt sich: „Wie kriege ich Netflix ins Auto?“, weil alle KonsumentInnen das wollen.
Reichl: Aber das heißt dann, die ideale Konstruktionsform ist ein Auto ohne Fenster, denn dann kommt man gar nicht in die Versuchung, nicht auf Netflix oder auf Werbung zu schauen, während das durch die Gegend fährt, verstehe ich Sie da richtig?
Kopetz: Ich glaube, das Fenster wird auch zur Displayfläche. Man fährt durch die Landschaft und man kann beispielsweise sagen: „Jetzt zeig mir mal, wie die Alpengipfel dort heißen“, und dann bekomme ich durch mein Fenster die Peaks erklärt, oder „Sag mir etwas zu Stift Melk“, und dann kriege ich die Geschichte von Stift Melk erzählt. Ich glaube sehr stark an diese Überlappung der analogen mit der digitalen Welt. Ich denke, das ist mehr eine Hoffnung als eine Vorhersage, dass wir die analoge Welt neu entdecken werden und eigentlich merken, dass die Welt nur dann funktioniert, wenn die digitale Welt ein Helfer der analogen Welt ist und nicht umgekehrt, das ist zumindest meine Vision der Zukunft.
Varga: Die Frage war Finanzierung.
Kopetz: Die Frage ist eben, ist man bereit, das (diese Commuter-Fahrzeuge, Anm.) gratis zur Verfügung zu stellen, wenn die Leute gezwungen sind, Content zu genießen? Ich würde das nicht wollen, aber es ist ein Modell, das diskutiert wird. Ein anderes Modell ist, dass man eine Art Jahreskarte löst, wie bei den Wiener Linien, einen gewissen Fixbetrag zahlt und dann die Angebote frei nutzen kann.
Varga: Frau Pfadenhauer, Sie beschäftigen sich mit Pflegerobotern. Werden wir künftig von Robotern betreut?
Pfadenhauer: Wenn ich jetzt das Gedankenspiel des Kollegen weiterführe, würde ich sagen, die Zukunft sieht so aus, dass wir von Robotern aus dem Bett gehoben werden, dann in eine robotische Waschschüssel hineingesetzt werden, dort ohne jeglichen menschlichen Kontakt gewaschen werden, wir dann in eine smarte Umgebung kommen, wo nur Technik ist, die mit uns kommuniziert. Das sind die Bilder, die Befürchtungen, die wir haben. Wenn wir uns anschauen, was derzeit entwickelt wird, ist das meiste, das auf dem Markt ist, tatsächlich so etwas wie Hebeunterstützungsgeräte, die immer im Zusammenhang mit Menschen, die bislang einfach mit Muskelkraft Leute aus dem Bett gehoben haben, eingesetzt werden. Ansonsten haben wir ganz viel Spielzeug. Aber dass man sagen könnte, wir haben da schon eine Welt, wo die Robotik tatsächlich losgelassen wäre, davon sind wir tatsächlich sehr, sehr weit entfernt und das betrifft nicht nur 2030, wir müssen da einen weiteren Horizont haben.
„Wir kommunizieren in Zukunft nicht mehr nur mit Menschen, sondern verstärkt auch mit technischem Gegenüber.“
Univ.-Prof. Michaela Pfadenhauer, Forschungsschwerpunkt Social Robotics, Vorständin des Instituts für Soziologie, Universität Wien
Varga: Sie haben im Vorgespräch gesagt, dass solche Roboter bei Menschen mit bestimmten Symptomen eingesetzt werden, wollen Sie das vielleicht erläutern?
Pfadenhauer: Ja, dieses kleine Feld innerhalb der Servicerobotik, das wir zum Teil als Social Robotics bezeichnen, war der Grund, warum ich mich als Soziologin dafür interessiert habe. Social Robotics hat tatsächlich keinen anderen Zweck, als so etwas zu repräsentieren wie ein Gegenüber. Die Frage, die uns als SoziologInnen interessiert, ist: Nehmen wir das an? Ist das etwas, wo wir sagen, ja, das adressieren wir, da reden wir damit und erwarten, dass auch tatsächlich etwas zurückkommt? Dabei geht es um einen längerfristigen Austausch. Andere nennen es auch „Companion Robots“, Begleitungstechnologie, Objekte, die ein Gegenüber auch visualisieren. Ob das eine tierähnliche Gestalt, eine Comicgestalt oder tatsächlich eine menschliche Gestalt ist, da wird viel experimentiert. Wir haben uns den Einsatz eines zoomorphen Artefakts angeschaut, das durch eine reaktiv ausgeprägte Sensorik ausgestattet ist, d. h. sehr stark auf Berührung reagiert, auf Intensität von Berührung. Und dieser Roboter wird in zwei Feldern eingesetzt: zum einen bei Kindern mit Autismus und zum anderen bei meist betagteren Menschen mit Demenz. Wir schauen uns an, was nun in diesen Feldern Aktivierung, Betreuung und Begleitung heißt, wie nun diese Begleiter tatsächlich eingesetzt werden.
Varga: Was kann dieser Roboter, was macht er?
Pfadenhauer: Der Roboter macht vor allem Geräusche, die man als so etwas wie Wohlgefallen oder Missfallen deuten kann. Er fiept und maunzt etwa. Was ich spannend finde, dass in diese Robotik aktive und reaktive Möglichkeiten eingebaut sind. Es ist tatsächlich ein Gegenüber. Die Betreuungskraft adressiert es als tierähnliches Irgendwas und die BewohnerInnen oder PatientInnen reagieren genauso darauf.
Varga: Aber wir sind noch weit entfernt von einer Voll-Pflegekraft, die mich den ganzen Tag betreut?
Pfadenhauer: Völlig, das ist, glaube ich, auch nicht beabsichtigt.
Varga: Wir haben Beispiele gehört, die schon sehr konkrete Anwendungen, sehr konkrete Auswirkungen der Digitalisierung zeigen. Herr Professor Reichl, Sie sind Mathematiker am Institut für Informatik. Wo liegen aus Ihrer Sicht die Gefahren der Digitalisierung und vielleicht auch die Grenzen?
Reichl: Den Menschen kann man nur mit seiner Geschwindigkeit entdecken und das vermisse ich bei alledem. Zusätzlich kommt die Frage des Zeithorizonts hinzu, wir sollten da wirklich in Jahrhunderten denken. Meine Interpretation von „den Menschen neu entdecken“ wäre tatsächlich eine andere – und da muss ich Ihnen widersprechen, Herr Kopetz, wenn Sie sagen, o.k., das sind halt alles noch nicht gelöste Fragen, aber wir machen da jetzt weiter. Ich habe vor zwei Jahren in einem Zeitungsinterview vorgeschlagen, das Internet für zwei Jahre abzuschalten und nachzudenken. Ich finde die Idee gar nicht so schlecht. In jedem Artikel über die Digitalisierung lesen wir: Die Digitalisierung kommt bzw. sie ist da, es heißt nie, wir machen sie. Und da ist die Informatik tatsächlich absolut in der Pflicht. Wir haben an der Fakultät den „Wiener Kreis zur digitalen Anthropologie“ (www.homodigitalis.at) gegründet, wo wir, aus der Informatik heraus, diese Fragen auch philosophisch angehen. Wenn man so stark an neuen Entwicklungen arbeitet, kann man diesen Aspekt leicht aus den Augen verlieren.
„In jedem Artikel über die Digitalisierung lesen wir: Die Digitalisierung kommt bzw. sie ist da, es heißt nie, wir machen sie.“
Univ.-Prof. Peter Reichl, Leiter Forschungsgruppe Cooperative Systems, Fakultät für Informatik, Universität Wien
Varga: Ich möchte noch das Thema Bildung ansprechen, Herr Professor Kayali, lernen wir künftig nur mehr vom Tablet? Macht uns das alle verrückt, ist das neurologisch problematisch? Sie sind Professor für digitale Bildung, was sagen Sie darauf?
Kayali: Wir beobachten in der Digitalisierung eine exponentielle Entwicklung, die uns davoneilt. Das Gefühl, überrollt zu werden, was bedeutet das für die Ausbildung? Das bedeutet, dass wir einerseits natürlich Schritt halten müssen, auf der anderen Seite müssen wir auch dahingehend ausbilden, sich selbst ausbilden zu können in diesen beweglichen Kontexten. Es gibt starke Ambivalenzen in dem Thema und die sorgen für große Polarisierung. Nehmen wir die oft kritisierten Tablets in der Schule. Wir sehen natürlich die sehr unreflektierte Nutzung des sogenannten „schwarzen Spiegels“, den man in der Hand hält. Auf der anderen Seite haben wir die Technikphobie und Dämonisierung von Technologie, die zu Schauermärchen von Technologienutzung führen. In der Bildung haben wir den Auftrag, einen reflektierten Weg zu finden, der da durchgeht.
Varga: Wird Lernen künftig nur noch über Computerspiele funktionieren?
Kayali: Nein, und ich sage das als ehemaliger Entwickler von Computerspielen, der diese auch selbst gerne spielt. Ich habe mich auch mit Lernspielen sehr intensiv auseinandergesetzt, dort steckt sicher ein schönes Potenzial, denn wir lernen am besten, wenn wir intrinsisch motiviert sind. Wir spielen auch meistens aus innerem Antrieb heraus und deshalb können Spiele sinnvoll sein, etwa wenn es um die Exploration eines Themas geht. Zum Beispiel eine Physikumgebung, wo ich experimentell etwas ausprobieren kann, das wäre ein Beispiel von einem reflektierten Einsatz von Technologie. Aber ich glaube, niemand redet davon, die ganze Matura im Rahmen eines Computerspiels zu absolvieren.
Was Digitalisierung in der Bildung angeht, denke ich, müssen wir drei Arten von Lernen unterscheiden. Zum einen müssen wir ganz viel über diese Digitalisierung lernen, sie verstehen lernen, sie diskutieren lernen. Gerade die Diskursfähigkeit ist ein großer Brocken, wo wir uns auch in der LehrerInnenbildung, wo ich tätig bin, annähern müssen. Das zweite Thema ist lernen, mit Digitalisierung, mit digitalen Medien in den Unterricht hineinzugehen, aber auch in einer lebenslangen Lernperspektive digitale Technologien als etwas zu begreifen, das ich produktiv nutzen kann. Und der dritte Punkt ist dieses Lernen für Digitalisierung. Wir sprechen hier von Computational Empowerment, das kombiniert zwei Begriffe: Computational Thinking, also das Nachvollziehen-Können, wie Technologie funktioniert, wie Algorithmen funktionieren, mit dem Begriff Digital Empowerment, was so viel heißt wie selbstbestimmt, souverän, autonom und gestaltend mit Technologie handeln zu können. Viele der Negativbeispiele liegen ja daran, dass die falschen Leute die Technologie machen. Klassisch machen weiße Männer Technologie und das ist schon ein Problem. Diese Fitnesstracker funktionieren zum Beispiel schlechter mit nicht weißer Hautfarbe.
Kopetz: Ich glaube, wir müssen die jungen Leute unternehmerisch und chancenorientiert ausbilden und ihnen die Möglichkeit geben, die Chancen von Digitalisierung zu begreifen, aber auch die Risiken einzuschätzen und abzuwägen. Ich habe oft das Gefühl, dass in Österreich die Probleme an erster Stelle stehen. Ich erwarte mir an einer Universität und von einer Gesellschaft, dass man chancenorientiert denkt und nicht so sehr problemorientiert. •