„Ich bin ein Tagelöhner auf hohem Niveau“
Filmemacher Stefan Ruzowitzky war Gast bei unitalk 03
Stefan Ruzowitzky über ...
... das Berühmtsein:
„Der Oscar war ja ein Preis für ‚Austria‘, österreichische Steuergelder haben den Film ‚Die Fälscher‘ finanziert. Da hätte ich seltsam gefunden, wenn ich gesagt hätte: Ich schnapp mir diesen Preis und entziehe mich völlig der Öffentlichkeit. Ich genieße es auch, in der Öffentlichkeit zu stehen. Der Grund für meine Popularität ist ja etwas, worauf ich stolz bin – und nicht, dass ich Heuschrecken im Dschungelcamp gegessen hätte. Ich hoffe, dass ich nie so abhängig vom Ruhm werde, dass ich etwas tue, nur um mich ins Gespräch zu bringen.“
... seine Rolle in der Öffentlichkeit:
„Ich bin jetzt eine Figur im österreichischen Kasperltheater, meine Rolle ist ‚unser Mann in Hollywood‘. Nach der Golden-Globes-Verleihung hatte ich unzählige Interviewanfragen – dass ich nur sagen konnte: ‚Ja, ich habe gelesen und finde schön, dass Michael Haneke und Christoph Waltz gewonnen haben‘ hat die Journalisten nicht gestört. Mit dieser Banalität schaffte ich es sogar in die ZIB. Das war mir peinlich, denn das Publikum denkt vielleicht, dass ich mich da reindränge.“
... Kunst:
„Ich finde es albern zu sagen: Ich bin Künstler und alles, was ich von mir gebe, ist Kunst. Mein Geld verdiene ich teilweise auch mit Werbung, dabei habe ich natürlich einen hohen handwerklichen Anspruch, aber Werbung ist nicht Kunst. Bei meinen Spielfilmen steht auch zuerst das Handwerk im Vordergrund – und wenn es alles gut geht, hat das Ergebnis einen künstlerischen Anspruch. Aber ich definiere mich nicht gerne als Künstler.“
... Erfolgsdruck:
„Ich war in meinem Leben nie angestellt. Letztendlich bin ich ein Tagelöhner auf hohem Niveau, ich habe keine Sicherheitsnetze. Man weiß, wenn ein Projekt nicht erfolgreich ist, hat man es beim nächsten schwer. Und wenn zwei gar nicht funktionieren, kann es auch sein, dass man ganz weg vom Fenster ist und keinen Auftrag mehr bekommt. Jeder Film birgt ein gewaltiges wirtschaftliches Risiko.“
... seine Familie:
„Ich habe ein klassisch spießbürgerliches Dasein: Haus am Stadtrand, Frau und zwei Kinder. Als Freiberufler habe ich keinen Anker, keine festen Strukturen – daher sind mir Strukturen im Privatleben enorm wichtig.“
... seine „Macherqualitäten“:
„Das französische Wort für Regisseur ist ‚réalisateur‘ – und das trifft es ganz gut. Andere hatten vielleicht die tolleren, visionären Ideen - aber das reicht nicht. Ich denke, das hat mich von vielen Studienkollegen unterschieden hat, die dasselbe machen wollten wie ich: Ich habe eine gewisse Sturheit, eine Konsequenz und Pragmatismus, die ‚Macherqualitäten‘, um eine Idee auch wirklich durchzusetzen.“
... die Wirkung von Erfahrung:
„Ich habe gelernt, zu delegieren und anderen Leuten zu vertrauen, ohne dass ich deswegen die Dinge aus der Hand gebe. Ich habe auch gelernt, meine Kräfte sinnvoll einzuteilen und mich zum Beispiel auf die konzeptionelle Vorbereitung des Drehs zu konzentrieren. Und: Vor 15 Jahren hab ich mich immer schrecklich echauffiert, wenn bei einem Außendreh das Wetter schlecht war. Inzwischen habe ich gelernt: Auch wenn ich mich echauffiere, bleibt es schlecht.“
... seine Studienzeit:
„Meine Studienzeit verbinde ich mit ganz anderen Dingen als mit Hörsälen. Man ist das erste Mal von zuhause weg, muss sich selber organisieren, kochen, Wäsche waschen, einen neuen Freundeskreis aufbauen – und da ist die Uni wirklich das geringste Problem.“
... politische Botschaften im Film:
„Ich werde keinen Film machen können, wo danach alle sagen: ‚Ich wähle nie wieder die FPÖ.‘ Ein verfilmter Flugzettel funktioniert einfach nicht. Ich kann in meinen Filmen jedoch mein Wertesystem abbilden, indem ich zum Beispiel die Bösen als Neonazis darstelle - und hoffen, dass dies eine Wirkung auf mein Publikum hat.“
... seine nächsten Projekte:
„Meine Ambition ist, etwas Größeres, also im englischsprachigen Bereich, zu machen. Leichter wäre sicher ein deutschsprachiges Projekt, denn im internationalen Filmgeschäft dauert alles seine Zeit. Ich habe derzeit einen Schwung von Projekten in verschiedensten Stadien, vier Regie-Verträge habe ich schon unterschrieben. Aber man weiß trotzdem nie, wann und ob überhaupt je gedreht wird.“
Über Stefan Ruzowitzky:
Seine Kindheit verbringt der 1961 in Wien geborene Stefan Ruzowitzky in Düsseldorf („Ich bin gelernter Deutscher“). Als er 13 Jahre ist, zieht die Familie zurück nach Österreich, ins oberösterreichische Linz, wo Ruzowitzky am Akademischen Gymnasium Spittelwiese maturiert. Dass er Regisseur werden möchte, weiß der heutige Oscar-Preisträger schon früh: Als seine Lehrerin die traditionelle Schultheateraufführung absagt, inszeniert er in der vierten Klasse Volksschule das Stück „Max und Moritz“ einfach auf eigene Faust.
Nach der Matura zieht es Ruzowitzky nach Wien – er inskribiert Theaterwissenschaft und Geschichte an der Universität Wien, für kurze Zeit studiert er auch Germanistik („Die Filmakademie war damals noch in einem beklagenswerten Zustand.“). 1987 schließt er sein Studium ab, seine Diplomarbeit behandelt „Die historische Fernsehdokumentation – Ästhetik und Gestaltungsformen am Beispiel des ORF“. Zeitgleich arbeitet Stefan Ruzowitzky beim ORF als freier Mitarbeiter bei der Jugend-TV-Sendung X-Large („Das waren sehr wichtige Lehrjahre.“). Neun Jahre später, 1996, veröffentlicht er seinen ersten Spielfilm „Tempo“. In den folgenden Jahren dreht Ruzowitzky unter anderem die „Anatomie“-Thriller, Musikvideos für „‘N Sync“ oder „Die Prinzen“ und Werbespots wie jenen, bei dem ein sprechendes Schweinchen für Bioprodukte einer großen Lebensmittelhandelskette eintritt.
Nach dem oscargekrönten Drama „Die Fälscher“ und dem Kinderfilm „Hexe Lilli“ wagt sich der Filmemacher derzeit auf ein verwandtes und doch fremdes Terrain: Im April 2010 feiert der 48-Jährige sein Debüt als Opernregisseur mit seiner Inszenierung von Carl Maria von Webers „Freischütz“ im Theater an der Wien. Stefan Ruzowitzky lebt mit seiner Frau Birgit und den gemeinsamen Töchtern Emma und Anna in Klosterneuburg.